Weberei

In unserem Museum befindet sich eine weltweit einzigartige Webmaschinensammlung. Bestaunen Sie anhand von laufenden Websystemen aus zwei Jahrhunderten wie aus Garn ein Stück Stoff produziert wird.

Ausstellung

Die Webmaschinensammlung im Neuthal widerspiegelt die bewegte Industrie- und Technikgeschichte der Schweiz. Präsentiert von engagierten Freiwilligen vermittelt die Ausstellung im Museum Neuthal einen unvergesslichen Einblick in 150 Jahre Webmaschinenentwicklung.

Erfahren Sie wie Stoff gewebt wird und bestaunen Sie die stetige Weiterentwicklung der faszinierenden Technik der Websysteme seit dem 19. Jahrhundert. Rund 25 funktionsfähige Maschinen werden durch fachkundiges Personal erklärt und demonstriert.

Erhalten Sie Einblick in die Entwicklung verschiedener Websysteme: vom Handwebstuhl, über den Schützenwebstuhl, Jacquardwebstuhl, die Projektil-Webmaschine, Greifer-, Luftdüsen-Webmaschine bis hin zu den Raritäten wie die Wellenfach-Webmaschine sowie die Mehrphasen-Webmaschine. Letztere gibt es nur noch in der Webmaschinensammlung des Museum Neuthal im laufenden Zustand zu besichtigen.

Nur durch den unermüdlichen Einsatz von vielen Fachspezialisten ist es möglich, die komplexe Mechanik der Webmaschinen am Laufen zu halten.

Geschichte

Historische Aufnahme Innenansicht Fabrik mit Menschen

Von der Hausweberei in die Webfabrik

Erfindungen im Bereich der Herstellung von Textilien – nicht zuletzt der Weberei – initialisierten die Industrialisierung und trieben diese massgeblich voran. In vorindustrieller Zeit existierten in der Schweiz unzählige Hauswebereien, die eine zusätzliche Erwerbsquelle in Heimarbeit ermöglichten. Die Industrialisierung führte dazu, dass all jene, die vorher in Heimarbeit Stoffe webten, entweder arbeitslos wurden oder in den neuen Webfabriken arbeiten mussten.

Caspar Honegger

Maschinenfabrik Rüti

Caspar Honegger (1804–1883), Gründer der Maschinenfabrik in Rüti, ist einer der bedeutendsten Industriepioniere der Schweiz. Mit unermüdlichem Erfindergeist entwickelte er existierende Webmaschinen weiter, machte bahnbrechende Erfindungen und setzte damit den Grundstein für eines der erfolgreichsten Maschinenbauunternehmen der Schweizer Geschichte.

Wussten Sie, dass die Schweizer Textilmaschinenbauer noch bis in die 1980er Jahre führend in der Herstellung von Webmaschinen waren? In über 70 Ländern laufen noch heute Webmaschinen, die in der Schweiz produziert wurden.

Historische Aufnahme Maschinenfabrik Rüti

Webmaschinensammlung

Seit 1943, zum 100-jährigen Jubiläum der Firmengründung, sammelte die Maschinenfabrik Rüti Exemplare ihrer Webmaschinen-Produktion, um ihren jungen Konstrukteuren die Entwicklung des Webmaschinenbaus näher zu bringen. Sie war Inspirationsquelle für mehrere Generationen von Maschinenbauern. Heute ist die Sammlung die weltweit grösste ihrer Art. Sie reicht von frühindustriellen, hölzernen Webstühlen bis zum modernsten Webautomaten von 1996.
Nach der Einstellung der Produktion in Rüti war der Erhalt dieser einzigartigen Sammlung gefährdet. 2008 wurde sie ins Eigentum des Kanton Zürich überführt. 2010 fand diese Sammlung von Rüti-Webmaschinen im Neuthal seine definitive Bleibe.

Webtechnik

Das Grundprinzip des Webens

Beim Weben werden zwei Fadensysteme rechtwinklig miteinander verkreuzt – in Längsrichtung die Kettfäden und quer dazu die Schussfäden.

Durch die Verbindung von Kett- und Schussfaden entsteht ein Gewebe. Während des Herstellungsprozesses liegen die Kettfäden gespannt auf dem Webstuhl.

Durch Heben oder Senken von Kettfäden öffnet sich das Fach, in welches der Schussfaden eingetragen wird. Schliesst sich das Fach, schiebt das Webblatt den eingetragenen Schuss an das entstehende Gewebe.

Gewebe – die 3 Grundbindungen

Einleitung:
Die Fadenverkreuzungen von Kett- & Schussfäden wird als Bindung bezeichnet. Je nach herzustellendem Gewebe muss ein „Bindungsbild“ gezeichnet werden. Dies nennt man in der Weberei eine Patrone.

Es wird zwischen 3 Grundbindungsarten unterschieden: Leinwand-, Körper- und Atlasbindung. Alle Bindungen können von den Grundbindungen abgeleitet werden, ausser es handelt sich um Fantasiebindungen.

Leinwand (auch Tuchbindung oder Taffet genannt)
Die wohl älteste Bindung ist die Leinwandbindung. Der Schussfaden wird abwechselnd über und unter dem Kettfaden durchgewoben. Beide Seiten des Gewebes sehen gleich aus. Die Leinwandbindung ist die denkbar einfachste und engste Verkreuzung von Kett- und Schussfäden.

Köperbindung (auch Serge- oder Croisébindung genannt)
Die Köperbindung weist eine Gratlinie auf. Man zeichnet die Köperbindung derart, dass man nach jedem Kettfaden mit dem Einsetzen der Bindungspunkte auf den nächsten Faden immer um mindestens eine Schusslinie weiterrückt, so dass diese Punkte in diagonaler Richtung sich aneinanderreihen.

Atlasbindung (auch Satinbindung genannt)
Der Hauptanspruch der Atlasbindung ist, die Bindungspunkte dürfen sich nicht berühren. Damit erreicht man eine glatte und glänzende Oberfläche des Gewebes. Der kleinste Rapport der Atlasbindung ist der 5er Atlas.

Websysteme

Websysteme

Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert haben sich Webstühle grundlegend weiterentwickelt. Die technischen Fortschritte hatten immer zum Ziel, den Webprozess zu beschleunigen, Kosten und Personal einzusparen und gleichzeitig gute Qualität zu gewährleisten. Im Neuthal sind alle wichtigen Entwicklungen der Weberei seit der Industrialisierung nachvollziehbar. Dazu gehören Meilensteine wie der «Honegger-Webstuhl», der Jacquard-Webstuhl oder verschiedene Schusseintragssysteme und Fachbildevorrichtungen.



Handweben

Im Gegensatz zur mechanischen Weberei wird beim Handwebstuhl das Weberschiffchen mit der darin liegenden Schussspule mit Muskelkraft und Schwung in das Webfach eingetragen. Die Fachbildung, das heisst das Heben und Senken der Webschäfte, erfolgt ebenfalls durch Muskelkraft über Fusspedale.

Schützenwebmaschinen

Die Entwicklung der Schützenwebmaschine leistete einen wesentlichen Beitrag zur Industrialisierung in den letzten 200 Jahren. Der Webschützen ist der zentrale Teil einer Schützenwebmaschine. Er enthält die Schussspule mit dem darauf aufgewickelten Garn. Der Webschützen mit der Spule vom Schussgarn wird vom sogenannten Schläger durch das Webfach transportiert.

Jacquardwebstuhl

Entscheidend für eine deutliche Leistungserhöhung bei der Herstellung von gemusterten Geweben und der Einsparung von Arbeitskräften war die Erfindung einer Fachbildevorrichtung durch Joseph-Marie Jacquard, die nach ihm Jacquardmaschine benannt wurde. Diese Jacquardmaschine erreichte 1808 ihre Vollkommenheit und fand damit rasche Verbreitung, so dass bereits 1812 in Frankreich 18’000 Webstühle mit dieser Technik ausgestattet waren.

Projektil

Dabei fliegt das Projektil, das den Schussfaden klemmt und mit sich zieht, mit hoher Geschwindigkeit durch eine Führung und bringt so den Schussfaden an das andere Ende des Webfaches. Heute sind Projektil-Webmaschinen vor allem für die Produktion von breiten, schweren und technischen Gewebe im Einsatz.


Greifer

Der rechte Greifer bringt das Schussgarn in die Mitte vom Gewebe, wo es vom linken Greifer übernommen wird um den Schussfaden an das andere Ende des Gewebes zu transportieren. Mit Greifer-Webmaschinen lässt sich die grösste Vielfalt an Garntypen und -materialien verweben.

Air Jet

Der Schussfaden gelangt durch eine präzis gesteuerte Luftströmung in den Führungskanal des Webblattes, genannt Tunnelblatt. Hier wird das Garn durch die Luftströmung mit den sogenannten Staffetendüsen bis zur gegenüberliegenden Gewebeseite transportiert. Die Luftdüsenwebmaschine ist heute die am weitesten verbreitete moderne Webmaschine

Wellenfach-Webmaschine

Bei der Wellenfachmaschine sind gleichzeitig mehrere «Schützen» unterwegs, die gleichzeitig das Webfach bilden und den Schussfaden darin einziehen. Trotz ihrer hohen Produktionsleistung hat die Maschine nie die Fabrikationsreife erreicht. Im Neuthal ist eines der wenigen gebauten Exemplare erhalten.

Mehrphasen – Webmaschine

Vier Schussgarne werden gestaffelt in das Webfach eingetragen. Die Fachbildung erfolgt nicht mehr mittels Schäften, sondern gleichzeitig mit dem Schusseintrag auf einem Rotor. Die Webmaschine erreichte bisher nie dagewesene Produktionsleistungen. Ihre Weiterentwicklung wurde jedoch aus Kosten- und markttechnischen Gründen eingestellt. Das einzige erhaltene und funktionierende Exemplar ist im Neuthal ausgestellt.

Führungen

Ablauf: Führungen für Gruppen von ca. 10-20 Personen dauern 1 ½ h und behandeln folgende Themen:

Kurze Einführung in die Industriegeschichte des Zürcher Oberlands und des Tösstals.

Informationen über das Grundprinzip des Webens und die Entstehung der verschiedenen Schusseintragssysteme.

Führung durch die Sammlung von Webmaschinen der Baujahre 1860 bis 1996 und der Entwicklungsgeschichte vom Handwebstuhl bis zum modernsten Webverfahren.